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 © Beckhoff
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24.05.2022

TwinCAT TCP/IP setzt der Netzwerkkommunikation keine Grenzen

Wiener Staatsoper: Hightech unterstützt die kreative Arbeit der Audio- und Videoabteilung

Die renommierte Wiener Staatsoper gilt als eines der führenden Opernhäuser der Welt. Rund 300 Vorstellungen mit mehr als 60 verschiedenen Opern- und Ballettwerken stehen in jeder Spielzeit auf dem Plan. Eine gewaltige Anforderung an alle Beschäftigten, die hier im Schichtbetrieb arbeiten, wie auch an die Bühnentechnik, die reibungslos funktionieren muss. Um den Besuchern ein optimales Hörerlebnis bieten zu können, wurde die Beschallungsanlage durch State-of-the-Art-Audiotechnologie ersetzt und die Audioregie grundlegend erneuert. Umgesetzt wurde das System von der Wiener Firma Salzgeber GmbH, Spezialist für die Planung und Realisierung von Hightech-Audio- und Videosystemen, in enger Zusammenarbeit mit Beckhoff Österreich.

Cheftonmeister Athanasios Rovakis im Tonleitstand: Er und sein Team aus sieben Mitarbeitern sind verantwortlich für den gesamten tontechnischen Bereich, für die Video- und Bildprojektionen auf der Bühne sowie für die Abwicklung des Streaming im Rahmen von „Wiener Staatsoper live at home“.
Cheftonmeister Athanasios Rovakis im Tonleitstand: Er und sein Team aus sieben Mitarbeitern sind verantwortlich für den gesamten tontechnischen Bereich, für die Video- und Bildprojektionen auf der Bühne sowie für die Abwicklung des Streaming im Rahmen von „Wiener Staatsoper live at home“.

Die Systemanforderungen an die Tontechnik waren hoch: Neben einem perfekten Klang waren optimale Diagnosemöglichkeiten sowie das Energiemanagement und die Visualisierung der Anlage, insbesondere der Verstärker, gefordert. „Die Beschallungsanlage, die seit über 20 Jahren ununterbrochen in der Wiener Staatsoper im Einsatz war, konnte klanglich nicht mehr mit modernen Systemen mithalten. Wir haben es hier mit typischen Audiosignalen wie Opern-Gesangsstimmen, akustischen Instrumenten, Chor, Orgel und Bühnenmusik zu tun“, erläutert Athanasios Rovakis, Leiter des Bereichs Ton- und Videotechnik an der Wiener Staatsoper.

Bestimmend für die Lautsprecherauswahl waren vor allem künstlerische Vorgaben, wie die organische Einbettung von Vocal- und Instrumentalsolisten oder des Chors in einen gegebenen Orchester-Originalklang. Außerdem sollte eine bestimmte Richtungs- und Abstandsempfindung für diese Klänge sowie allgemein ein bestimmter Soundcharakter gegeben sein. „Die heutigen Systeme mit ihrer modellierbaren Coverage können ganz anders eingesetzt und getunt werden als noch vor einigen Jahren. Das ist besonders wichtig, wenn – wie in diesem Haus – eine Menge Raumakustik mit im Spiel ist“, erklärt Athanasios Rovakis. „Durch ihre einmalige Architektur hat die Wiener Staatsoper eine sehr lebendige Akustik. Auch gibt es zum Teil große Distanzen und unterschiedliche Bündelungen, mit denen man umgehen muss. So stellt sich der Höreindruck im Parkett anders dar als beispielsweise auf der Galerie. Die Summe der Stimmen hört man besser weiter hinten im „Stehparterre” während der ausgeglichenere Klang in den oberen Rängen besteht. Der Zuschauerraum fasst knapp 2.700 Besucher, von denen die meisten in den oberen beiden Rängen sitzen, das müssen wir bei der Beschallung natürlich berücksichtigen“, erklärt der Cheftonmeister.

Nach mehrjähriger, sorgfältiger Planung wurde der Umbau der gesamten Audiotechnik im November 2020 abgeschlossen. Von Anfang an mit dabei war Tino Pfeifer, Leitender Projektingenieur bei der Salzgeber GmbH, einem Spezialisten mit langjähriger Erfahrung in der Planung und Realisierung von Entertainment-Lösungen. Er plante und erarbeitete die überwachte Energieversorgung, das Monitoring der Verstärker sowie deren Verbindung mit weiteren Signalisierungen.

„Meine Entscheidung fiel auf ein Lautsprechersystem von L-Acoustics, insbesondere die ARCS W/F-Serie klingt für unsere Anwendungen in diesem Raum besonders gut. Alle weiteren Integrationsschritte mussten dann auf dem ausgewählten System aufbauen bzw. damit kompatibel sein“, berichtet Athanasios Rovakis. So wünschte sich der Cheftonmeister eine Diagnosemöglichkeit auf Basis von gesammelten und analysierten Audio- bzw. Endstufendaten. „Eine Funktion, die wir bis dahin sehr aufwendig analog realisiert vorgefunden hatten, und die wir unbedingt modern umgesetzt wissen wollten“, erklärt Athanasios Rovakis. „Bei der Vielfalt an Audiokanälen, die wir hier zu verwalten haben, ist es wichtig, dass wir übersichtlich erkennen können, ob ein Signal auch wirklich dort ankommt, wo es geplant war. Des Weiteren können wir fernsteuern, wie z. B. Mutes per physischen Hardware-Taster, welche auch in die Automation des Audiomischpultes eingebunden sind.“ Weitere Anforderung waren das Energiemonitoring und die Fehlerdiagnose der Audiogeräte sowie die Visualisierung des Audiosystems.

Bis heute wird die zentrale Loge im ersten Rang des Auditoriums Kaiserloge genannt, da sie dem Kaiser bzw. dem Hof vorbehalten war: Im dahinter liegenden Teesalon, der noch im Originalzustand erhalten ist, konnte sich der Kaiser zurückziehen. In den Fenstern über der Loge ist der Tonleitstand untergebracht.
Bis heute wird die zentrale Loge im ersten Rang des Auditoriums Kaiserloge genannt, da sie dem Kaiser bzw. dem Hof vorbehalten war: Im dahinter liegenden Teesalon, der noch im Originalzustand erhalten ist, konnte sich der Kaiser zurückziehen. In den Fenstern über der Loge ist der Tonleitstand untergebracht.

In einem nächsten Schritt ging es darum, eine Lösung zu finden, welche diese Funktionen mit dem ausgewählten Audiosystem verbinden konnte. Hier kam Beckhoff als Steuerungslieferant ins Spiel. Da die Audiogeräte von L-Acoustics über eine SNMP-Schnittstelle (Simple Network Management Protocol V1.0) mit der Steuerung kommunizieren können, entwickelte Christian Henke von Beckhoff Österreich in enger Zusammenarbeit mit Salzgeber einen entsprechenden Kommunikationsfunktionsbaustein für TwinCAT 3.1. „Unser TCP/IP-Server (TF6310) ermöglicht die Ansteuerung einer unbegrenzten Anzahl von Geräten und Funktionen. Das ist in der Branche ein Alleinstellungsmerkmal. Und die Reaktionszeiten, die wir bieten, sind sogar schneller als es gefordert war“, kommentiert Michel Matuschke, Branchenmanager für die Entertainment-Industrie bei Beckhoff.

Energiemanagement der Audioanlage

Die Tontechnik der Wiener Staatoper wurde seit den 50er Jahren immer wieder ergänzt und teilerneuert. „So legte sich Schicht um Schicht übereinander und im “Tonleitstand” hatten wir es mit einem recht unübersichtlichen System an Kabeln und Einzelkomponenten zu tun“, erläutert der Cheftonmeister. „Mithilfe von Tino Pfeifer von der Firma Salzgeber haben wir dann den Audioleitstand komplett neu und sehr modular konzipiert, sodass wir daran in den nächsten 25 Jahren hoffentlich nichts grundlegend mehr verändern werden müssen“, so der Plan von Athanasios Rovakis.

Die Stromverteilung im Regieraum, von dem die gesamte Audio- und Videotechnik gesteuert wird, besteht jetzt nur noch aus drei Kabeltypen für Zugang, Abgang und Netzwerk. „Für die Energieverteilung ist der Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6015 mit einem EtherCAT-Koppler EK1100 und den entsprechenden Busklemmen im Einsatz; er übernimmt das An- und Abschalten der Stromversorgung und die Diagnose der Sicherungen“, erklärt Tino Pfeifer.

Anstelle festverkabelter Geräte entwarf Salzgeber ein flexibles System, bestehend aus achtzehn 19-Zoll-Rack-Elementen. Alle Verbraucher und jede Steckdose können nun über die einzelnen Racks Gruppen zugeordnet, geschaltet und ihr Energiestatus eingelesen werden. Ziel war es, zusammenhängende Funktionseinheiten flexibel und ortsunabhängig gemeinsam schalten zu können. Der modulare Busaufbau erlaubt es sogar, ganze Racks für Servicezwecke zu trennen und aus dem Raum zu fahren. „Bei der Unmenge an Aufführungen und Proben mit je unterschiedlichen technischen Anforderungen, ist das ein gehöriger Vorteil, um die Übersicht zu behalten“, betont Athanasios Rovakis. „Alle kritischen Komponenten sind doppelt verbaut – es könnte ja etwas kaputt gehen. Wir analysieren die drei Phasen der Netzversorgung, die mit eigenem Fehlerstrom- bzw. Leistungsschutzschalter ausgestattet sind. Über sechs ferngesteuerte und fernüberwachte Ports – Steckdosenarrays – können wir die Geräte dynamisch schalten.“

Visualisierung des Status der Audiogeräte. Das HMI umfasst auf einer Seite ca 1.000 SPS-Variablen, welche alle 50 ms aktualisiert werden.
Visualisierung des Status der Audiogeräte. Das HMI umfasst auf einer Seite ca 1.000 SPS-Variablen, welche alle 50 ms aktualisiert werden.

Alle Racks folgen demselben Aufbau: Dazu gehören ein Ethernet-Buskoppler BK9100 mit zwei 3-Phasen-Leistungsmessklemmen KL3403, sechs Stromwandler, zwei 4-Kanal-Relaisklemmen KM2614 mit 16 A auf Öffner verdrahtet und eine KL1809 zur Überwachung der FI-Schalter. „In Summe stehen über 100 Schaltkanäle sowie vielfältige Überwachungsmöglichkeiten zur Verfügung“, erläutert Tino Pfeifer. Die Leistungsmessklemme zeigt genau den Status der einzelnen Verbraucher an. Mittels Hüllkurvenanalyse wird die Stromaufnahme jedes Abgangs überwacht und kann als Referenz gespeichert werden. Die Bedienung der Racks kann sowohl über zwei zentrale Tastenfelder als auch am PC erfolgen. „Wir können aber auch alle Funktionen unten vom Zuschauerraum aus bedienen; ein Netzwerkanschluss ist ausreichend“, ergänzt Athanasios Rovakis

Visualisierung stellt den Status aller Endstufen dar

Die Visualisierung wurde auf Basis von TwinCAT HMI Server (TF2000) realisiert und kommt auf einem Schaltschrank-Industrie-PC C6515 zum Ablauf. Das HMI zur Statusdarstellung aller Audiogeräte umfasst ca. 1.000 SPS-Variablen auf einer HMI-Seite, welche alle 50 ms aktualisiert werden. Sie umfasst verschiedene Fenster, die für die Energieverteilung, die Statusüberwachung oder Audiosignale zuständig sind. „Die Entwicklung der Visualisierung bzw. des Sichtfelds war eine der Hauptanforderungen von unserer Seite und ein wichtiger Grund für die Zusammenarbeit mit Beckhoff“, unterstreicht Athanasios Rovakis. „Jetzt können wir am Monitor verfolgen, wo etwas los ist. Wenn man ein Audiosignal ausspielt, dann bekommt man bei weit entfernten Lautsprechern ein diffuses Geräusch zurück, bei dem man bei der Arbeit am Mischpult nicht mehr genau sagen kann, von wo es kommt. Hier hilft uns die 3D-Anordnung der Lautsprecher-VU-Meter im HMI.“ Die Audioausgänge können über physische Taster im Regieraum, über die Audiopulte und über das HMI individuell oder alle zusammen gemutet werden. Der aktuelle Betriebszustand der Verstärker wird im Regieraum zusätzlich illuminiert. Über LED-Streifen wird ein angenehmes indirektes Licht geschaffen. Blau signalisiert, dass Lautsprecher gemutet sind. Rot und gedimmte Grundbeleuchtung im ganzheitlich automatisierten Regieraum bedeuten, dass man „on air“ und die Konzentration gesteigert ist.

„Unsere Entscheidung für die Beckhoff-Steuerung fiel nicht zuletzt aufgrund ihrer Offenheit und der langfristigen Verfügbarkeit der Komponenten. Mit den Busklemmen können wir alle Funktionen abdecken und wir haben sogar einen Mehrwert bekommen, in dem wir Funktionen realisieren konnten, an die wir vorher gar nicht gedacht haben“, betont der Cheftonmeister der Wiener Staatsoper.