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© Karl Kuenstner

04.07.2022

Echtzeit-Atemluftanalyse als vorläufig zugelassene COVID-19-Testmethode

Industrielle Steuerungstechnik bei der Spurengasanalyse

Die Massenspektrometer des österreichischen Spezialisten Ionicon werden als Spurengasanalysatoren in vielen verschiedenen Anwendungen eingesetzt, insbesondere in der medizinischen Forschung. In Singapur hat das System, das die zuverlässige und langzeitverfügbare Steuerungstechnik von Beckhoff nutzt, zudem den Durchbruch als vorläufig zugelassene Testmethode für COVID-19 geschafft.

Die PTR-TOF-Systeme sind leistungsstarke Werkzeuge für die nicht-invasive Atemgasanalyse. Laut Ionicon sind sie durch die große Menge an Informationen – jede Sekunde wird ein vollständiges Spektrum aufgenommen – sowie aufgrund der hohen Empfindlichkeit und des hohen Massenauflösungsvermögens der De-facto-Standard für die Atemgasanalyse in Echtzeit.

Die Analyse flüchtiger organischer Verbindungen (VOCs) in der ausgeatmeten Luft hat sich in den letzten Jahren zu einem wachsenden Forschungsgebiet entwickelt. Beim Gasaustausch an der Blut-Luft-Schranke der Lungenbläschen wird Kohlendioxid an die eingeatmete Luft abgegeben und Sauerstoff aus dieser aufgenommen. Dieser Austausch gilt auch für flüchtige Stoffwechselprodukte (endogene Verbindungen) oder VOCs, die konsumiert oder zuvor eingeatmet wurden (exogene Verbindungen). Die Probenahme von VOCs in der Ausatemluft ist nicht invasiv, einfach und schnell.

Das Breathonix-Team vor einem PTR-TOF-Analysator von Ionicon: Die Wissenschaftler aus Singapur bereiten die Analysedaten für den neuartigen COVID-19-Atemtest mit einer speziellen Software auf und können nach nur einer Minute bereits das Ergebnis bereitstellen.
Das Breathonix-Team vor einem PTR-TOF-Analysator von Ionicon: Die Wissenschaftler aus Singapur bereiten die Analysedaten für den neuartigen COVID-19-Atemtest mit einer speziellen Software auf und können nach nur einer Minute bereits das Ergebnis bereitstellen.

Bei der Echtzeit-Atemanalyse wird die ausgeatmete Luft ohne Probenvorbereitung direkt analysiert. Die Aufzeichnung kompletter Atemzyklen liefert die Konzentrationen für den endtidalen (alveolaren) Anteil und auch die eingeatmeten (Raumluft-)Konzentrationen, die beide leicht durch Software getrennt werden können. Dies liefert sofortige Ergebnisse und vermeidet Komplikationen, die häufig bei der Probenentnahme und -lagerung auftreten. Auch die Messung instabiler Verbindungen, die schnell abgebaut werden, ist unter Umständen nur durch eine Echtzeitanalyse möglich.

Schneller und nicht invasiver Test auf COVID-19

Das Start-up-Unternehmen Breathonix in Singapur hat einen Corona-Atemtest in klinischen Studien demonstriert – laut Ionicon mit beeindruckenden Ergebnissen. Der einfach zu bedienende Atemtest, der COVID-19 innerhalb einer Minute nachweisen kann, hat die vorläufige Zulassung der Gesundheitsbehörde von Singapur (HSA) und die Zulassung des Ministry of Health in Malaysia erhalten. Letztendlich soll der Atemtest in Flughäfen, Seehäfen und Verkehrsknotenpunkten eingeführt werden und wäre auch für Sportstätten und Großveranstaltungen wie z.B. die Olympischen Spiele geeignet.

Die hochpräzisen Analysegeräte für dieses neue Testverfahren wurden von Ionicon entwickelt, wie CEO Lukas Märk beschreibt: „Der neue COVID-19-Atemtest basiert auf unseren PTR-TOF-Spurengasanalysatoren sowie speziellen, von uns entwickelten Atem-Probenahmesystemen. Unsere Geräte erfassen die Messdaten in Echtzeit, die dann von den Wissenschaftlern mit einer speziellen Software ausgewertet werden.“ Anhand dieser Daten konnten die Forscher in Asien Biomarker nachweisen, die indikativ für eine COVID-19-Erkrankung sind.

VOCs treten in nur sehr geringer Konzentration in der ausgeatmeten Luft auf. „Die Probenahme beim Atemtest ist einfach. Schwierig ist das Bestimmen und Zuordnen der VOCs. Mit unseren Analysegeräten können mehrere hundert VOC-Verbindungen gleichzeitig aus einer einzigen Ausatmung gemessen werden“, erklärt Lukas Märk. Aufgrund der schnellen und präzisen Auswertung der Messergebnisse lässt sich binnen einer Minute feststellen, ob ein Proband mit SARS-CoV-2 infiziert ist oder nicht. In einer klinischen Pilotstudie erreichte das Verfahren eine Genauigkeit von über 90 %.

Das Expertenteam von Ionicon (v.l.n.r.): Lukas Märk (CEO), Gabriel Ivanko (Techniker), Judith Bobory (Technikerin), Simon Niederbacher (Customer Support & Service), Stefan Haidacher (Senior Electronics Engineer) und Marco Lang (Trainee Mechatronics)
Das Expertenteam von Ionicon (v.l.n.r.): Lukas Märk (CEO), Gabriel Ivanko (Techniker), Judith Bobory (Technikerin), Simon Niederbacher (Customer Support & Service), Stefan Haidacher (Senior Electronics Engineer) und Marco Lang (Trainee Mechatronics)

Breathonix arbeitet mit dem singapurischen Gesundheitsministerium (MOH) zusammen, um die Technologie an einem Einreisekontrollpunkt zu testen, wo ankommende Reisende mit dem System untersucht werden. Zuvor wurde das Atemanalysesystem bereits an drei Standorten klinisch getestet. In Singapur wurden die Versuche am National Centre for Infectious Diseases und am Changi Airport durchgeführt, wohingegen der dritte Versuch in Dubai in Zusammenarbeit mit der Dubai Health Authority und der Mohammed Bin Rashid University of Medicine and Health Sciences stattfand.

Durchgängig PC- und EtherCAT-basierte Steuerungstechnik

Die Analysesysteme von Ionicon sind sogenannte Proton Transfer Reaction Time-of-Flight-Massenspektrometer. In diesen Systemen wird eine gasförmige Probe über ein Einlasssystem einer Reaktionskammer zugeführt, in der die Moleküle des Probengases ionisiert werden. Die gebildeten Ionen werden über elektrische Felder beschleunigt und durchlaufen anschließend eine Flugstrecke, an deren Ende sie durch einen Detektor nachgewiesen werden. Über die Flugzeit der Ionen können diese identifiziert und dadurch die Zusammensetzung der Probe bestimmt werden.

Die Details zur PC- und EtherCAT-basierten Steuerungstechnik beschreibt Stefan Haidacher, Senior Electronics Engineer bei Ionicon: „Unsere Massenspektrometer bestehen aus einem Vakuumsystem, in dem Moleküle ionisiert und detektiert werden, Pumpen zur Vakuumerzeugung, präzisen Spannungsversorgungen zur Erzeugung der elektrischen Felder, Fluss- und Druckreglern für das Einlass- und Kalibriersystem sowie einer ultraschnellen Elektronik zur Detektion der Ionen. Zur Steuerung und Überwachung dieser Systemkomponenten dient ein Embedded-PC CX5020 mit Intel-Atom®-Prozessor, auf dem unsere TwinCAT-basierte Steuersoftware läuft. Für die bedienfreundliche und effiziente Anzeige und Einstellung grundlegender Systemparameter setzten wir das Multitouch-Einbau-Control-Panel CP2907 mit 7-Zoll-Display und DVI/USB-Extended-Anschluss ein.“

Zur I/O-Ebene zählt u. a. die EtherCAT-Klemme EL6022, die als serielles 2-Kanal-Kommunikations-Interface für die Kommunikation mit diversen Systemkomponenten, wie z. B. Turbopumpen zur Erzeugung des Hochvakuums, zuständig ist. Hinzu kommt der 2-Port-EtherCAT-Abzweig EK1122 für die schnelle Datenübertragung zu weiteren EtherCAT-Teilnehmern wie z. B. Durchfluss- und Druckregler. Die große Bedeutung der ultraschnellen Datenkommunikation hierbei bestätigt Stefan Haidacher: „Bei unseren Neuentwicklungen setzen wir zunehmend auf EtherCAT als Systembus, insbesondere wenn es sich um zeitkritische Steuerungsaufgaben handelt.“

Als Control Unit dient ein 19"-Gehäuse mit weiteren Beckhoff EtherCAT-Klemmen, IP67-EtherCAT-Box-Modulen sowie zusätzliche Reihenklemmen, Sicherungen und Relais. Seine Aufgabe ist die Stromversorgung und Steuerung der Systemkomponenten, zu denen u. a. die Temperaturregelung der Ionisierungskammer, die Messwert-Erfassung von Vakuum-Druckmesszellen sowie die Steuerung von Ventilen gehört.

Die Massenspektrometer von Ionicon gibt es in unterschiedlichen Varianten und mit verschiedenen Ausstattungsoptionen, angepasst an das jeweilige Anwendungsgebiet. Für die COVID-19-Applikation wurde ein PTR-TOF 1000 mit einem Schaltschrank-Industrie-PC C6920 ausgestattet, dessen Vorteile Stefan Haidacher folgendermaßen erklärt: „Unser System produziert im Messbetrieb kontinuierlich große Datenmengen, die üblicherweise auf einem externen PC oder Laptop erfasst und ausgewertet werden. Bei der COVID-19-Anwendung bestehen erhöhte Anforderungen an die Stabilität und Sicherheit des Datenerfassungssystems sowie an die Langzeitverfügbarkeit von Bauteilen. Der C6920 bringt die erforderliche Performance mit und verschafft uns durch die Integration in unser System mehr Kontrolle über das gesamte Setup. Außerdem haben wir mit den Industrie-PCs von Beckhoff bisher sehr gute Erfahrungen hinsichtlich Zuverlässigkeit und Langzeitverfügbarkeit gemacht. Hinzu kommt noch die gute Betreuung durch das Beckhoff-Vertriebsbüro Innsbruck, welche – unter George Hampel, Leiter des Vertriebsbüros – Ionicon seit 2007 von der New Automation Technology täglich aufs Neue überzeugt.“