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3.000 präzise angesteuerten Servoachsen

Giant Magellan Telescope, Chile

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14.09.2020

Giant Magellan Telescope mit standortweiter Echtzeitvernetzung und 3.000 präzise angesteuerten Servoachsen

PC- und EtherCAT-basierte Steuerungstechnik für ein Teleskop der nächsten Generation

Das Giant Magellan Telescope (GMT) ist ein Projekt der Superlative. Nach einer langen Konstruktions- und Planungsphase rechnet man für 2029 mit der Inbetriebnahme des Teleskops der nächsten Generation. Mit sieben Spiegeln und einem Gesamtdurchmesser von 25 m wird es völlig neue Auflösungen und sogar einen Blick zurück in die Zeit nach dem Urknall ermöglichen. Für die geplante Automatisierung wurde PC-based Control von Beckhoff ausgewählt. Ausschlaggebend dafür waren die Vorzüge von EtherCAT zur standortweiten Echtzeitvernetzung aller Teleskopfunktionen. Getestet und spezifiziert wurden zudem Embedded-PCs sowie die Servomotoren AM8000 für über 3.000 Bewegungsachsen.

Wenn das Giant Magellan Telescope im Las-Campanas-Observatorium einmal installiert ist, wird es der astrophysikalischen und kosmologischen Forschungsgemeinschaft ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Die Konstruktion des bodengebundenen Teleskops wird eine zehnmal höhere Auflösung als das Hubble-Weltraumteleskop bieten, indem es sieben Spiegel zu einem einzigartigen optischen System mit einem Gesamtdurchmesser von 25 m kombiniert. Diese Fortschritte werden es dem GMT ermöglichen, Bilder von astronomischen Objekten mit einer höheren Schärfe als derzeit möglich zu erfassen, denn durch die Erdatmosphäre verursachte Verzerrungen werden mit einer adaptiven Optik reduziert. Damit wird das Teleskop Wissenschaftlern einen Blick zurück in die Zeit der ersten Milliarde Jahre nach dem Urknall erlauben.

Die GMTO-Ingenieure José Soto (links) und Hector Swett (rechts) nutzen die Beckhoff-Automatisierungssoftware TwinCAT 3, um verschiedene Komponenten gemäß den Teleskop-Spezifikationen zu validieren.
Die GMTO-Ingenieure José Soto (links) und Hector Swett (rechts) nutzen die Beckhoff-Automatisierungssoftware TwinCAT 3, um verschiedene Komponenten gemäß den Teleskop-Spezifikationen zu validieren.

Traditionell haben Wissenschaftler und Ingenieure in ähnlichen Teleskopprojekten ihre eigenen Automatisierungslösungen unter Verwendung spezieller Steuerungskomponenten aufgebaut. Das Team, das derzeit die technische Infrastruktur des GMT plant, sieht das jedoch anders, erklärt José Soto, Senior Electronics Engineer der GMTO Corporation: „Wir wollen die überkommene Methode ändern, Teleskope als einmalige Projekte und völlig losgelöst von anderen automatisierten Systemen zu behandeln. Zukunftsorientierte industrielle Steuerungslösungen eröffnen uns die Möglichkeit, viele der Probleme zu lösen, denen wir heute in der Astrophysik gegenüberstehen.“

Standardbasierte Automatisierung für ein einmaliges Projekt

Auch aufgrund der Echtzeit-Kommunikations- und -Steuerungsanforderungen musste die Spezifizierung der Automatisierungskomponenten für das GMT sorgfältig überlegt sein, besonders angesichts der Tatsache, dass das System mehr als 3.000 Bewegungsachsen beinhalten wird. Neben der Rotation der 22 Stockwerke hohen Kuppel des Teleskops müssen die flexiblen Spiegel mit größter Präzision bewegt werden, um die komplexe adaptive Optik zu implementieren und damit höchstmögliche Bildauflösungen zu erreichen.

Ein Beispiel dafür ist das System der aktiven Optik, das die Integration von 170 pneumatischen Aktoren pro Hauptspiegel erfordert, um die Masse jedes Spiegels zu tragen. Das Ingenieursteam erkannte den Bedarf an leistungsfähigen Steuerungskomponenten, die auch in der Lage sind, künftige technische Fortschritte zu unterstützen, erklärt José Soto: „Da solche Projekte lange Zeit in Anspruch nehmen, müssen wir eine Veralterung auf jeden Fall ausschließen. Die wirksamste Methode, dies zu verhindern, ist die Standardisierung auf bewährte industrielle Technologien.“ Das veranlasste GMTO dazu, bei vielen Spezifikationen für das Steuerungssystem auf Industriestandards zu setzen, wie sie die Lösungen von Beckhoff bieten.

Als die GMTO-Ingenieure mit ihren Recherchen begannen, untersuchten sie verschiedene Industrial-Ethernet-Netzwerktechnologien und stellten fest, dass EtherCAT der Systemspezifikation des GMT am besten entsprach. Das resultiert aus der flexiblen Topologie und Skalierbarkeit sowie der Möglichkeit, bis zu 65.535 EtherCAT-Geräte in ein Netzwerk zu integrieren. „EtherCAT wird in nahezu jedes GMT-Teleskopsystem eingebettet sein – von den Primärspiegeln über den atmosphärischen Dispersionskompensator, das Gehäuse, Gerüst und sogar die Automatisierung in den Gebäuden“, sagt José Soto.

Laut GMTO-Ingenieur Hector Swett bot Safety over EtherCAT (FSoE) zudem eine beeindruckende Funktionalität für die Verriegelungs- und Sicherheitssysteme des Teleskops. FSoE bietet GMT eine sicherheitsbewertete, TÜVzertifizierte Kommunikation über Standard-EtherCAT-Netzwerke, zahlreiche Optionen für dezentrale TwinSAFE-I/O-Module sowie die Integration mit der Beckhoff-Engineering-Umgebung und Industrie-PCs.

Die GMTO-Ingenieure testeten und spezifizierten eine Reihe von Beckhoff Industrie-PCs (hier: C6930) für verschiedene Aufgaben in der verteilten Systemarchitektur.
Die GMTO-Ingenieure testeten und spezifizierten eine Reihe von Beckhoff Industrie-PCs (hier: C6930) für verschiedene Aufgaben in der verteilten Systemarchitektur.

Verschiedene GMT-Spezifikationen sehen den Einsatz PC-basierter Steuerungen von Beckhoff vor. Das Interlock- und Sicherheitssystem setzt auf viele Sicherheitssteuerungen; hierfür vorgesehen sind hutschienenmontierte EmbeddedPCs CX9020 in Verbindung mit TwinSAFE-Logic-I/O-Modulen EL6910. Diese sind per FSoE über das EtherCAT Automation Profile (EAP) miteinander gekoppelt, um Sicherheitsfunktionen gemäß den Vorgaben der Gefahrenanalyse zu implementieren, so Hector Swett. Embedded-PCs CX2020 kommen im GMT Hardware Development Kit zum Einsatz, das für die Projektpartner zur Entwicklung von Instrumenten für das Teleskop entwickelt wurde.

Die Automatisierungssoftware TwinCAT 3 von Beckhoff bietet eine wichtige Plattform zum Testen der Geräte und ist für die Steuerung der Strukturen rund um das Teleskop spezifiziert. „Die PC-basierte Steuerung für das Gehäuse des Teleskops wird TwinCAT direkt ausführen“, sagt Hector Swett. „Unterstützt wird auch die Echtzeitfähigkeit für die Vernetzung dieser komplexen Anwendung mit dem Steuerungsleitsystem des Observatoriums über OPC UA.“ Als Beispiel für Systemoffenheit kann TwinCAT Fremdgeräte über ADS und EtherCAT automatisch scannen und konfigurieren. Damit bietet die Software eine optimale Plattform für alle Aufgaben von der Sensorik bis zu Motion Control.

Da das Teleskop über Tausende von Bewegungsachsen verfügen wird, sind zuverlässige Motoren und Antriebe von entscheidender Bedeutung in der endgültigen Konfiguration. José Soto ist hier von der Leistungsfähigkeit der Beckhoff-Servomotoren AM8000 überzeugt: „Wenn unsere Integrator-Teams mit der Ausstattung des Teleskops beginnen, werden sie sehr wahrscheinlich AM8000-Servomotoren einsetzen, zum Beispiel im Kompensator für atmosphärische Dispersion oder im GIR (Gregorianischer Instrumentenrotator), der alle am Cassegrain-Fokus angebrachten Instrumente bewegt.“

Neue Technologien für kreative Ideen

EtherCAT führte die GMTO-Ingenieure zu Beckhoff und ist nach wie vor grundlegend für das Design der Steuerungsarchitektur des Teleskops, erklärt José Soto: „Die Verwendung von EtherCAT als GMT-Feldbus ermöglicht EchtzeitKommunikation bis hinunter zur I/O-Ebene. Wir haben Zykluszeiten von 2ms erreicht, was genügend Bandbreite bereitstellt, um die Regelschleifen auf einer Reihe von Subsystemen zu schließen, wodurch unsere Steuerungs- und Netzwerkfähigkeiten erheblich erweitert werden.“ Kompakte EtherCAT-I/O-Module und Embedded-PCs sparen Platz im Schaltschrank, und da die PC-basierten Steuerungen in einiger Entfernung von den I/Os platziert werden können, wird zudem die Wärmeabgabe reduziert. „Die Reduzierung von Wärmestaus hat für das GMT große Bedeutung“, fügt Hector Swett hinzu. „Wärme verwirbelt die Luft im Inneren des Gehäuses, und diese Luftwirbel würden die Bilder verzerren, wenn die Lichtstrahlen durch den Raum wandern. Die verteilte I/O-Architektur hilft uns, dies zu verhindern.“

In einem Jahrzehnt jedoch werden Beobachtung und Entdeckung nicht mehr Aufgabe der Ingenieure sein, die das GMT jetzt planen und bauen, sondern von den Astrophysikern und Kosmologen, die es zur Erforschung des Universums einsetzen. Die Forscher werden dann die Flexibilität haben, ihre eigenen kreativen Ideen einzubringen, wenn sie dieses Teleskop nutzen, um Entdeckungen zu machen, die sich jetzt noch nicht einmal erahnen lassen.

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