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 © Minimetro Spa
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30.05.2022

Rückgrat der Cable Cars in Perugia

PC-based Control für die Infrastruktur-Automatisierung

Wer mit Cable Cars fahren möchte, muss nicht unbedingt nach San Francisco. Ein modernes Pendant verrichtet im italienischen Perugia seine Dienste – schon seit 2008. Damit die vollautomatische Minimetro auch weiterhin zuverlässig Bewohner wie Touristen in die historische Altstadt befördert, wurde die komplette Leit- und Steuerungstechnik der Infrastrukturen in jeder Station modernisiert. Verantwortlich für die anspruchsvolle Migration zeichnete der Systemintegrator Umbra Control – für die Technik PC-based Control von Beckhoff.

Der Zeitraum für öffentliche Verkehrsprojekte ist in der Regel eng gesteckt - im Falle der umfassenden Modernisierung der Gebäudeleittechnik der Minimetro besonders eng. Die Umstellung war von März 2021 bis Dezember 2021 geplant. Was zunächst nach viel Zeit klingt, erwies sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen als durchaus anspruchsvoll. „Schließlich konnten wir den Bahnverkehr in die Altstadt Perugias nicht für Wochen oder Monate einfach lahmlegen – noch nicht mal für einen Tag,“ zeigt Giorgio Passeri, CTO beim Systemintegrator Umbra Control, eine Herausforderung auf. „Die Minimetro ist die wichtigste Hauptverkehrsachse des öffentlichen Personennahverkehrs in die historische Altstadt Perugias,“ konkretisiert Monia Mariani, Projektverantwortliche Ingenieurin bei der Betreibergesellschaft Minimetro SPA, die Bedeutung des Modernisierungsprojekts.

Etwa 1.500 Ein- und Ausgänge werden über rund 20 Beckhoff-Controller und zusätzliche Remote-I/Os zur Zentrale sicher übertragen und dort mit der Scada-Software Visiosuite überwacht und gesteuert.
Etwa 1.500 Ein- und Ausgänge werden über rund 20 Beckhoff-Controller und zusätzliche Remote-I/Os zur Zentrale sicher übertragen und dort mit der Scada-Software Visiosuite überwacht und gesteuert.

Auf insgesamt 3,5 km Länge verkehren 25 vollautomatisch fahrende Kabinen zwischen den sieben Stationen und transportieren jährlich rund 3 Mio. Touristen und Anwohner Perugias. Auch Pendler nutzen gerne die „Cable Cars Perugias“ zur Fahrt vom kostenlosen Parkplatz im Westen der Stadt zum Hauptbahnhof, der beim Bau im Jahr 2007/2008 mit in die Streckenführung eingebunden wurde. Seit Inbetriebnahme 2008 wurden bis heute rund 36 Mio. Tickets verkauft.

Bei der strategischen Bedeutung ist es nur logisch, dass Umbra Control die Kontinuität des Betriebs zu gewährleisten hatte. „Wir mussten bei allen Überlegungen berücksichtigen, dass die Techniker in der Überwachungszentrale jederzeit in der Lage sein mussten, sämtliche Einrichtungen parallel zu überwachen und zu bedienen, entweder mit dem alten oder mit dem neuen System,“ stellt Giorgio Passeri klar. Daher planten er und sein Team die als außerordentliche Wartung eingestufte Modernisierung von Anfang an als schrittweise Migration. Zudem wurden sämtliche Arbeiten am System außerhalb der Betriebszeiten der Bahn erledigt, also nur nachts.

Umbra Control entwarf und implementierte das Sicherheits- und Videoüberwachungssystem für Minimetro sowie das Temperatur- und Brandmeldesystem für das gesamte Areal mit besonderem Augenmerk auf die Tunnel und Technik-Räume. Die Überwachung des gesamten Systems erfolgt über die von Umbra Control entwickelte Scada-Software Visiosuite.

Systemintegrator komplettiert Portfolio mit PC-based Control

1975 in Perugia gegründet, begann Umbra Control seine Tätigkeit im Bereich der Sicherheitssysteme. Im Laufe der Jahre stetig gewachsen und ist das Unternehmen heute in ganz Italien als Errichter und Systemintegrator tätig. Es realisiert komplexe Projekte der Gebäudeautomation für private, öffentliche, industrielle und kulturelle Einrichtungen, meist schlüsselfertig von der Idee für die Automatisierung über alle Ebenen (Projekt, Entwicklung, Anpassung, Konfiguration, technische Schulung, Wartung) mit allen notwendigen Technologie-Updates bis hin zum Ende des Lebenszyklus. Längst ist Beckhoff für Umbra Control ein sehr wichtiger Technologiepartner. „Beckhoff stellt uns ein offenes System zur Verfügung; lässt uns als Systemintegrator somit immer die Option, Modifikationen und Erweiterungen aufgrund von Kundenanforderungen zu erfüllen oder unser eigenes Know-how einzubringen,“ begründet Giorgio Passeri. Und der laut Giorgio Passeri „sehr zuverlässige Service gibt uns als Systemintegrator die Gewissheit, einen soliden und präsenten Partner an unserer Seite zu haben.“

Giorgio Passeri von Umbra Control, Mirko Vincenti von Beckhoff Italien, Monia Mariani von Minimetro und Gianluca Ragni (v.l.n.r.), President von Umbra Control.
Giorgio Passeri von Umbra Control, Mirko Vincenti von Beckhoff Italien, Monia Mariani von Minimetro und Gianluca Ragni (v.l.n.r.), President von Umbra Control.

BACnet raus, EtherCAT rein – immer über Nacht

Konkret löste Umbra Control mit der Beckhoff-Technologie ein Automatisierungssystem ab, das seit der Inbetriebnahme 2008 im Einsatz war. „Diese Technik hat schlicht und einfach ausgedient, war nicht mehr wirklich wartbar und entsprach nicht mehr den heute notwendigen Anforderungen,“ zeigt Monira Mariani den Handlungsbedarf auf.

Die Steuerungs- und Überwachungstechnik aller sieben Stationen wurde daher umfassend modernisiert. Inzwischen überwacht und steuert der Betreiber mithilfe der Beckhoff-Technik von der Zentrale aus die komplette Gebäude- und sonstige Infrastruktur, darunter die Beleuchtung (Einzelleuchten sowie Licht-Szenarien), Schalter, USV, Aufzüge, Rolltreppen, Lüftungsanlagen, Türen, Tore, Temperatur-, Wind- und Rauchsensoren, TV-Bildschirme, CCTV (Intelligent Video Analytics). Insgesamt werden dazu in den Stationen rund 850 digitale und analoge Eingänge erfasst sowie 570 Ausgänge von der Zentrale aus kontrolliert. Als Datensammler agieren 16 Controller CX8190 in den Haltestellen sowie ein CX2062 als Master – in der Regel jeweils mithilfe von BK1100-Kopplern um abgesetzte Remote-I/Os erweitert. Die überwiegend verwendeten Klemmen sind EtherCAT-Klemmen EL1809 (16 DI) und EL2809 (16 DA 24 V DC, 0,5 A). Hinzu kommen analoge Klemmen EL3208-0010 mit acht analogen Eingängen (16 Bit) für Temperatursensoren (PT1000 und NTC) sowie zweikanalige EL3012 (0...20 mA, 12 Bit, differentiell) für analoge Signale auf der Minimetro-Strecke, beispielsweise Anemometer und Trübungsmesser. Die Komponenten und Aggregate in den einzelnen Stationen sind hauptsächlich über vorhandene Relais und potenzialfreie Kontakte (Türen, Beleuchtung) mit den I/Os verbunden. „Minimetro setzt hier weiter auf die ursprünglich verbaute Infrastruktur“, fügt Mirko Vincenti, Branchenmanager Infrastructure and Building Automation bei Beckhoff Italien, an.

Die Kommunikation auf Steuerungsebene erfolgt über EtherCAT und zur Zentrale hin über die Automation Device Specification (ADS). Das Security-Konzept ist unterteilt in über 180 Intrusion Detection Zones.

Uneingeschränktes Vertrauen in Technik und Support

Die Verbesserungen für den Betreiber Minimetro bestehen unter anderem darin, ein sehr zuverlässig automatisiertes System zu haben, das die neuesten Technologien nutzt und in Bezug auf die E/A-Ebene jederzeit erweitert werden kann. „Die Beckhoff-Technologie garantiert uns eine lange Verfügbarkeit der Hardware - ein wichtiger Punkt im öffentlichen hat der Kunde die Möglichkeit, künftige Erweiterungen (Sensoren, Subsysteme mit Standardprotokollen) und auch andere Scada-Software mit ADS, OPC UA oder anderen Schnittstellen wie Modbus-TCP zu nutzen.

Giorgio Passeri von Umbra Control, der schon seit 2014 mit Beckhoff-Technik diverse Projekte realisiert, betont einen weiteren Aspekt: „Vor allem die Tatsache, dass ein Unternehmen wie Beckhoff Italien immer präsent ist, vom Pre-Sales mit erfahrenen Vertriebsingenieuren bis hin zum technischen Support mit Experten, gibt uns als Systemintegrator ein solides Vertrauen.“ Hinzu kommt die Tatsache, dass es mit der Beckhoff-Technologie möglich ist, nahezu jedes beliebige Signal zu integrieren, das die Applikation verlangt, sei es auch noch so exotisch. „Die Flexibilität auf I/O-Ebene und die Beckhoff-Laufzeitumgebung machen unsere Scada-Software Visiosuite komplett“, so Giorgio Passeri.

Migration ohne eine einzige Betriebsunterbrechung

Auch die Unterstützung durch Mirko Vincenti war in der ersten Projektphase sehr wichtig. „Die gemeinsame Planung der einzelnen Migrationsschritte war eine Herausforderung“, bekennt Mirko Vincenti, „denn das Hauptaugenmerk lag schließlich auf dem unterbrechungsfreien Austausch von Hard- und Software. Das war nur möglich, weil zunächst jeder mögliche Fehlerpunkt gründlich analysiert wurde. Am Ende gab es keine einzige Minute Stillstand oder gar einen Ausfall. „Nicht weniger wichtig ist ein sicherer Betrieb“, ergänzt Giorgio Passeri mit Verweis auf die Firmengeschichte von Umbra Control: „Unser Unternehmen begann vor 40 Jahren als Errichter von Einbruchmeldeanlagen.“ Damals ausschließlich die physische Sicherheit im Blick, gehört auch Cyber-Security längst zu einer der Kernkompetenzen von Umbra Control.

Beckhoff gibt dem Systemintegrator mit PC-based Control die Möglichkeit, bei jedem Projekt die passende Strategie in Bezug auf die Verschlüsselung von Informationen und die Sicherung von Daten mit den richtigen Algorithmen zu implementieren. Für einen vollständigen Schutz der Minimetro sichert der Systemintegrator alle Softwareschichten, angefangen im Feld, über die Steuerungen, das Netzwerk und bis hin zur Scada-Software mit ihrer serverseitigen Anwendung und vor allem den clientseitigen Front-Ends. Dazu Mirko Vicenti: „Die PC-basierte Steuerung von Beckhoff bietet alles, was für eine sichere Kommunikation benötigt wird.“ Giorgio Passerie bestätigt: „Dementsprechend einfach waren die Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren – auch dank des Supports von Beckhoff Italien.“ Als geschlossenes System hat die Minimetro-Technik keinerlei Berührungspunkte mit dem Internet, sodass die eigentliche Bedrohung nur ein interner Angriff sein könnte, etwa MiTM (Man in the Middle) oder Sniffing. Dennoch wurden alle erforderlichen Richtlinien für eine verschlüsselte OPC-UA-Kommunikation mit Zertifikatsaustausch und Secure ADS umgesetzt.

Rückblickend war die Entwicklung der dezentralen Architektur mit der lokalen Nutzung der EtherCAT-Verbindungen und die Einrichtung der redundanten OPC-UA-Kommunikation zwischen den Steuerungen untereinander und mit der Leitwarte der anspruchsvollste Teil des Projekts. „Auch bei den nächsten Projekten werden Beckhoff-Systeme zum Einsatz kommen, um das Sicherheitsniveau unserer Architektur und die Zuverlässigkeit der implementierten Systeme weiter zu erhöhen. Wir freuen uns darauf, unser Know-how mit Technologien von Beckhoff zu kombinieren“, schließt Giorgio Passeri.