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19.09.2022

Skalierbare Steuerungsplattform erhöht Anlagendurchsatz ohne Qualitätseinbußen

PC-based Control erleichtert Optimierung von Mikrospritzgießmaschinen

MHS aus Georgetown, Ontario, brachte seine erste Mikrospritzgießmaschine M3 mit einer Kapazität von acht Kavitäten auf den Markt. Die erfolgreiche Lösung setzte auf PC-basierte Steuerungstechnik, EtherCAT und andere Beckhoff-Komponenten. Als MHS 2020 beschloss, das System auf 32 Kavitäten zu erweitern, konnte die Steuerungsplattform ohne Komponentenaustausch aufwärts skaliert und der innovative Prozess zur Verarbeitung der Kunststoffschmelze erhalten werden.

Unabhängig von der Größe des Formteils oder der Art des Kunststoffs sind drei Hauptfaktoren entscheidend für die Qualität von Spritzgieß-Produkten: Druck, Temperatur und Zeit. Mold Hotrunner Solutions (MHS) optimierte diese Parameter bei der Mikrospritzgießmaschine M3, die 2016 auf den Markt kam. Die schlüsselfertige, abfallfreie Spritzgießlösung bietet neue Möglichkeiten u. a. für Hersteller von medizinischen Geräten und Elektronik. Durch die eigene Entwicklung besonderer Heißkanal- und Spritzgießtechnologien kann die M3-D08-Maschine direkt angespritzte Mikroteile mit einem Gewicht von nur 1,3 mg mit hoher Effizienz und Präzision herstellen.

Die M3-Mikrospritzgießmaschine eignet sich u. a. für Mikroprodukte zur Herstellung von medizinischen Geräten und Elektronik.
Die M3-Mikrospritzgießmaschine eignet sich u. a. für Mikroprodukte zur Herstellung von medizinischen Geräten und Elektronik.

Qualitätsprobleme durch zuverlässige Prozesse lösen

Bei der Entwicklung der M3 konzentrierte sich MHS darauf, altbekannte Schwachstellen im Spritzgießprozess zu beseitigen. Traditionell beginnt der Prozess damit, dass Kunststoffgranulat aus einem Trichter in einen rohrförmigen Zylinder fällt. Während eine Förderschnecke das Granulat vorwärts transportiert, schmelzen es Heizbänder um den Zylinder herum auf. Durch eine geeignete Temperaturregelung erreicht der Kunststoff die erforderliche Temperatur und Viskosität, bevor er an der Düse zum Einspritzen in die Form ankommt. Zudem werden bei Heißkanalsystemen wie der M3 Nadelverschlüsse und interne heiße Angusskanäle für das direkte Einspritzen in die Form verwendet. Auf diese Weise werden Präzisionsteile mit makellosen Oberflächen hergestellt, weil sich am Anspritzpunkt kaum Angussreste ablagern, die nach dem Spritzgießen vom Formteil entfernt und recycelt oder entsorgt werden müssen.

Für das Öffnen und Schließen der Form waren außerdem koordinierte horizontale und vertikale Bewegungen nötig, um das ca. 226 kg schwere Formwerkzeug im Bruchteil einer Sekunde und mit einer Genauigkeit von 10 µm zu bewegen.

Aus diesem Prozess ergaben sich hohe Anforderungen für die Entwicklung der Maschine, denn sie sollte eine hohe Teilequalität durch die wiederholgenaue Steuerung des Spritzgießvorgangs nach exakten Druck-, Temperatur- und Zeitvorgaben sicherstellen.

„Beckhoff arbeitet seit 2012 mit MHS zusammen, als das Unternehmen erweiterte Automatisierungs-, Netzwerk- und Fernzugriffsfunktionen benötigte“, sagt Paul Pierre, regionaler Vertriebsingenieur bei Beckhoff Kanada. Daher wandte sich das Unternehmen auch 2016 an Beckhoff, als man nach neuartigen Steuerungslösungen für die erste M3-Baureihe suchte. Die Steuerungsplattform der M3 basiert auf einem leistungsstarken Schaltschrank-Industrie-PC C6920 mit einem Intel®-Core™-i7-Quadcore-Prozessor. Als HMI-Hardware dient ein Widescreen-Control-Panel CP3921. Das 21,5-Zoll-Multitouch-Display ermöglichte es, die Bedienoberfläche neu zu konfigurieren, um sie besser an den Mikrospritzgießprozess anzupassen und einen Überblick über alle Prozessvariablen zu bieten.

MHS entschied sich für das 21,5-Zoll-Multitouch-Control-Panel CP3921 von Beckhoff, um einen guten Überblick und hohen Bedienkomfort zu bieten.
MHS entschied sich für das 21,5-Zoll-Multitouch-Control-Panel CP3921 von Beckhoff, um einen guten Überblick und hohen Bedienkomfort zu bieten.

Echtzeit-Vernetzung mit EtherCAT ist der Schlüssel

EtherCAT bietet Echtzeitkommunikation für die komplexe Bewegungsarchitektur. Da für Mikroteile so wenig Kunststoff nötig ist, ist es schwierig, das Material auf Verarbeitungstemperatur zu halten, ohne die Schmelzequalität zu beeinträchtigen. Beim MHS-Verfahren wird die Kunststoffschmelze erst kurz vor Erreichen des Nadelverschlusses auf Verarbeitungstemperatur erwärmt, wodurch die Plastifizierungszeit des Kunststoffs verlängert und erheblich weniger Abfall produziert wird.

Die Umsetzung machten die EtherCAT-Klemme EL3314 mit 4-Kanal-Thermoelement-Eingang und der TwinCAT Temperature Controller (TF4110) möglich. MHS verwendete 14 Heizelemente mit Toleranzanforderungen von ± 0,1 °C, die mit der EL3314 und der Temperaturregelungssoftware genau erfüllt werden konnten. Zu den Beckhoff-Servoverstärkern AX5000 gehören auch die Encoder-Optionskarten AX5721, die einen hochauflösenden Linear-Encoder unterstützen. Über TwinSAFE-I/Os und -Antriebsfunktionen werden Sicherheitsverriegelungen, Not-Halt-Schalter und Safe-Torque-Off (STO)-Optionen gesteuert.

Zum Öffnen und Schließen des Werkzeugs treiben Servoverstärker AX5000 einen Linear-Servomotor AL2815 für die horizontale Bewegung und einen Linear-Servomotor AL2412 für die vertikale Bewegung an. „Ohne die Echtzeitfähigkeiten von EtherCAT in den I/Os und Antrieben wäre es unmöglich, die Präzision von 10 µm bei dem schnellen Tempo zu erreichen“, erklärt Ryan Craig, leitender Entwickler bei MHS.

Lücke zwischen hoher Qualität und hohem Durchsatz schließen

„Die PC-basierte Automatisierung von Beckhoff half uns, Präzision mit dynamischen linearen Bewegungsprofilen zu erreichen, Protokolle per E-Mail zu senden, um Fehlfunktionen zu vermeiden, eine Verbindung zur Cloud herzustellen und mit Geräten von Drittanbietern, wie z. B. Kameras und Rohmaterialtrockner, zu kommunizieren“, sagt Amir Abbas Shoraka, Leiter für Steuerungstechnik bei MHS. Entscheidend ist, dass MHS genaue Heizungssteuerungsprofile zur Erreichung und Aufrechterhaltung der Plastifizierungstemperatur des Kunststoffs und zur zyklischen Qualitätskontrolle während der Teileinjektion erreicht hat.

Die Servoverstärker AX5000 von Beckhoff ergeben eine dynamische Bewegungssteuerung für den Schneckenförderer, die lineare Werkzeugbewegung und den Side-Entry-Roboter.
Die Servoverstärker AX5000 von Beckhoff ergeben eine dynamische Bewegungssteuerung für den Schneckenförderer, die lineare Werkzeugbewegung und den Side-Entry-Roboter.

Als das Unternehmen die Chancen eines weiteren Kapazitätsausbaus erkannte, begann es 2020 mit der Skalierung der M3 von einem einzelnen Modul mit je acht Mikroteilkavitäten auf vier Module mit insgesamt 32 Kavitäten. Für die entstandene Version mit mehr Kavitäten und höheren Geschwindigkeiten konnte die existierende Steuerungsarchitektur dennoch beibehalten werden. Die neue Version enthält zudem einen Hochgeschwindigkeitsroboter, der innerhalb von 0,4 ms 1.000 mm seitlich in die Zelle hinein- und in weiteren 0,4 ms herausfährt. Dies machen AX5000-Antriebe und zwei AM8042-Servomotoren zusammen mit einem externen Bremswiderstand möglich.

In der neuen Alpha M3-D32 arbeiten 62 Heizungssteuerungen innerhalb derselben Steuerungsplattform, welche die beweglichen Achsen und die Maschinenabläufe in einem 5-ms-Zyklus steuert. „Neben der Robotik bietet die M3 eine intelligente Datenverarbeitung auf der Maschine sowie ein Bildverarbeitungssystem zur Teileinspektion und Werkzeugsicherheit, das über EtherCAT vernetzt ist. Dies haben wir mit der gleichen, leistungsfähigen PC-basierten Maschinensteuerung ohne Leistungseinbußen realisiert“, stellt Amir Abbas Shoraka fest. Nach dem Erfolg, den MHS mit EtherCAT erzielte, trat das Unternehmen auch der EtherCAT Technology Group bei.

Die erste Maschine übertraf bereits Branchenstandards, indem sie durchschnittlich 170.000 Mikroteile an einem Arbeitstag ohne Abfall produzierte. Würden die Teile beispielsweise 10 mg wiegen, wäre genau 1,7 kg Kunststoffgranulat erforderlich, um die gesamte Serie zu produzieren. Die Maschine erreicht diese Effizienz auch bei PEEK und anderen hoch erhitzbaren Materialien unter Beibehaltung der Qualitätsstandards. „Ab der ersten M3-Maschine im Jahr 2016 blieben die Parameter des Prototyps identisch mit den Verarbeitungsparametern für die Großserienproduktion“, so MHS-Gründer Harald Schmidt.

Während die M3-D08 die Qualitätslücke für das Mikrospritzgießen schloss, steigert die Alpha M3-D32 diese Fähigkeit auf ein überaus hohes Durchsatzniveau, ohne die Wiederholgenauigkeit in Bezug auf Druck, Temperatur und Zeit zu beeinträchtigen. Die M3 erreicht eine Taktzeit von 4 s oder besser für Maschinenbewegung, Einspritzen, Kühlen, Auswerfen und Robotik. Damit stieg die Tagesleistung der ausgebauten Maschine auf durchschnittlich 690.000 Teile, also auf mehr als die vierfache Ausbringungsleistung im Vergleich zur ersten Version.