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thyssenkrupp-presta-2023-stage-lowres

09.05.2023

PC-based Control macht Qualität hörbar

Präzisions-Messtechnikklemmen in der Endkontrolle von Lenksystemen

Knacken, Kratzen, Klopfen oder Surren – das möchte niemand beim Autofahren hören. Doch wie das subjektive Geräuschempfinden quantifizieren, objektiv messen? Thyssenkrupp Presta kontrolliert das per Körperschallmessungen bei der End-of-Line-Prüfung. Hier ersetzen Joachim Sutterlüty, Karsten Mauersberger, Michael Sauerwein und Julius Ellmann die bislang externe Elektronik durch Highend-Messtechnikklemmen der Serie ELM von Beckhoff in Verbindung mit TwinCAT Scope. Das spart neben jeder Menge Platz und Kosten viel Engineeringaufwand und Zeit.

Nur einige wenige Augenblicke sind entscheidend im Leben eines Lenksystems -wenn thyssenkrupp Presta jedes Lenksystem in einem End-of-Line-Prüfstand auf Herz und Nieren testet. Neben verschiedenen Funktionsprüfungen spielt die auftretende Geräuschentwicklung eine wesentliche Rolle. „Bei der akustischen Bewertung geht es darum, dass der Autofahrer im Betrieb keine störenden Geräusche wahrnimmt“, erklärt Joachim Sutterlüty, Head of Automation, bei thyssenkrupp Presta. Diese Geräusch-Empfindungen in messbare Werte zu übersetzen, ist Aufgabe der Experten des akustischen Kompetenzzentrums von thyssenkrupp Presta. Sie analysieren und definieren zusammen mit den Kunden das Geräuschverhalten bereits in der Entwicklung an Prototypen und Vorserien und bringen die subjektiven akustischen Eigenschaften in ein objektives Raster. Dieses Geräuschprofil und dessen zulässige Grenzwerte bilden später die Basis für die Körperschallmessung in der Produktion.

Mit EtherCAT-Messtechnikklemmen und PC-based Control werden die hochfrequenten Signale der IEPE-Aufnehmer erfasst und synchron mit den Prüfabläufen aufgezeichnet.
Mit EtherCAT-Messtechnikklemmen und PC-based Control werden die hochfrequenten Signale der IEPE-Aufnehmer erfasst und synchron mit den Prüfabläufen aufgezeichnet.

Liegt das Geräuschspektrum eines Lenksystems außerhalb dieses Profils, geht es vom Prüfstand zurück an einen Nacharbeitsplatz. Dort entscheidet sich dann anhand des gemessenen Körperschall-Spektrums, was mit dem Bauteil geschieht: Nacharbeit oder Demontage. Dazu Joachim Sutterlüty: „Wir können mit unseren Sensoren zusammen mit den Messtechnikklemmen und PC-based Control von Beckhoff die Geräusche so exakt auswerten, dass der Werker anhand des angezeigten Spektrums die Geräusch-Ursache bereits präzise eingrenzen kann.“

Körperschall – ein Buch mit sieben Siegeln

Bis so ein Geräuschprofil steht, braucht es eine Menge Versuche mit Prototypen. Entsprechend viele Prüfstände hat thyssenkrupp Presta im sogenannten Prototypen-Shop im Einsatz. Hier wird die Akustik eines Lenksystems designed, die in der vollautomatischen Montageanlage dann einzuhalten ist. „Aufgrund der unwahrscheinlich hohen Dynamik in der Entwicklung mit häufig wechselnden Varianten, brauchen wir hier eine sehr hohe Flexibilität“, so Joachim Sutterlüty. Deshalb konzipiert und automatisiert Presta alle Prüfstände komplett inhouse und kauft lediglich die mechanische Konstruktion und die elektrischen Komponenten zu. Bei letzterem setzt der Automobilzulieferer seit über 20 Jahren auf Beckhoff-Komponenten, inzwischen auch auf die Highend-EtherCAT-Messtechnikklemmen ELM3604 sowie TwinCAT Scope für die Messdatenerfassung.

Messtechnikklemmen ersetzen Standalone-System

Das alte Konzept basierte auf einem externen System für die akustische Auswertung, was aufwendige Schnittstellen und Signalsplitter zur eigentlichen Prüfstandsteuerung notwendig machte. Dazu Elektroingenieur Michael Sauerwein: „Allein dieses Equipment brauchte einen separaten Steuerschrank und verursachte bei den Inbetriebnahmen immer wieder Scherereien, angefangen bei der aufwendigen EMV-Schirmung bis hin zur doppelten Kalibrierung und Verdrahtungsfehlern.“ Hinzu kommen Projektierung, Konfiguration und Programmierung des separaten Systems. Mit PC-based Control, EtherCAT und den Highend-Messtechnikklemmen konnte er diese Schnittstellen komplett eliminieren und dabei deutlich an Flexibilität und Zeit gewinnen − bei einer massiven Reduktion der Komplexität und Kosten. „Grob überschlagen sparen wir pro Prüfmodul etwa 5 % der Investkosten“, präzisiert Joachim Sutterlüty.

Joachim Sutterlüty (rechts), Head of Automation Technology bei thyssenkrupp Presta, mit seinem Team, das die Prüfstände für die weltweite Lenkgetriebe-Produktion konzipiert und automatisiert: Akustik-Experte Julius Ellmann, Elektroingenieur Michael Sauerwein und Karsten Mauersberger (Software). Dazwischen (2.vl) Maurus Kaelin, Vertrieb Beckhoff Schweiz.
Joachim Sutterlüty (rechts), Head of Automation Technology bei thyssenkrupp Presta, mit seinem Team, das die Prüfstände für die weltweite Lenkgetriebe-Produktion konzipiert und automatisiert: Akustik-Experte Julius Ellmann, Elektroingenieur Michael Sauerwein und Karsten Mauersberger (Software). Dazwischen (2.vl) Maurus Kaelin, Vertrieb Beckhoff Schweiz.

In einer ersten Versuchsanlage in Eschen wurde 2020 das neue Konzept intensiv getestet und geprüft. Danach wurde die Beckhoff-Technik ins Prüffeld integriert und die Sensorsignale parallel zu einem bisherigen System abgegriffen, um die Ergebnisse zu verifizieren: Kommt die Highend-Messtechnik von Beckhoff an das externe System heran?

Dazu der Akustikexperte Julius Ellmann: „Wir wollten sehen, ob wir das alte System hinsichtlich Messgüte ersetzen können.“ Schließlich sind einige Sensorsignale hochauflösend mit 24 Bit und bis zu 20 kSamples/s synchron zu erfassen. Alle Anforderungen an die messtechnische Komplexität konnten bewerkstelligt werden – bei einem sehr viel besseren Preis-Leistungsverhältnis. Der Grund: Die EtherCAT-Messtechnikklemmen ELM360x sind direkt in EtherCAT integriert, in der Kanalanzahl sehr flexibel und mit TwinCAT Scope sehr schnell für eine Datenaufnahme konfiguriert. „Im Rahmen der Umstellung auf ELM-Messtechnik konnten wir aufgrund des Preisvorteils die Anzahl der Messkanäle erhöhen und zusammen mit einer optimierten Messsensorik die Qualität der Messung zusätzlich steigern", erklärt Julius Ellmann.

Flaschenhals Softwareinterface aufgebohrt

Dass die Umstellung gelang, lag nicht zuletzt an der Flexibilität und Offenheit von PC-based Control. Dies hat sich bei der Anbindung von TwinCAT an die externe Auswertesoftware bestätigt. Denn Joachim Sutterlüty wollte und konnte nicht auf die bestehende Auswerte-Software des bisherigen Herstellers verzichten, da verschiedene Abteilungen Funktionen der Software nutzen. „Mit der TwinCAT Scope API stellt Beckhoff jedoch eine mächtige Schnittstelle zum Auslesen der Daten zur Verfügung“, so Maurus Kaelin, Vertrieb Beckhoff Schweiz. Allerdings entpuppte sich die Schnittstelle der Auswertesoftware als Nadelöhr. „Wir mussten die Software-Schnittstelle optimieren, damit die Datenpakete schnell genug entgegengenommen und analysiert werden konnten“, erinnert sich Karsten Mauersberger, der die Software für die Prüfstände entwickelt.

Pascal Dresselhaus, Produktmanager TwinCAT, stand mit seinem Scope-Entwicklungsteam der Firma thyssenkrupp Presta zur Seite, um gemeinsam mit dem Anbieter der Auswertesoftware die bestmögliche Performance für die Applikation zu realisieren. „Joachim Sutterlüty und sein Team haben definiert, eine leistungsstarke und moderne Schnittstelle für die Datenerfassung einzusetzen“, erinnert sich Pascal Dresselhaus. Viele TwinCAT-Nutzer kennen TwinCAT Scope nur aus der Integration in Microsoft Visual Studio® für die Messdatenanalyse und die Maschinen-Inbetriebnahme. Neben dem Frontend in der TwinCAT-Engineering-Umgebung gibt es aber auch eine umfangreiche Programmierschnittstelle (API) für TwinCAT Scope (TE1300). Diese kann insbesondere in der .Net-Welt genutzt werden, um beispielsweise die Charts eines Scope View als Control in eine eigene Visualisierung einzubinden. Dadurch ist das gesamte Charting inklusive Backend mit Scope Server bereits fertig. Viele Scope-Eigenschaften können sehr individuell verwendet werden, sodass unter Umständen gar nicht mehr auffällt, dass TwinCAT Scope von Beckhoff hier seinen Dienst tut.

Im konkreten Fall wurde die API jedoch nicht klassisch für die visuelle Darstellung genutzt, sondern zum Weiterreichen der aufgenommenen Messdaten der ELM3604-Klemmen. Über Beispiel-Code mit ausgeklügeltem Datenpuffer konnte eine reibungslose Anbindung der Fremdsoftware gewährleistet werden. „Von der Funktionalität konnte die Applikation direkt mit dem aktuellen Stand der Scope API realisiert werden. Unsere Unterstützung bestand im Wesentlichen darin, eine Art Best Practice für die Verwendung hochaufgelöster Daten zu schreiben“, so der Produktmanager von TwinCAT Scope und Analytics.

Die Offenheit der Software-Lösung war ein wichtiges Kriterium für thyssenkrupp Presta. Das ist mit der Anbindung der Auswertesoftware und den vielen Exportformaten perfekt gelungen. Gleichzeitig bewahrt sich thyssenkrupp Presta auch die Möglichkeit, die in TwinCAT vorhandenen Analysemöglichkeiten zu nutzen. „Da stehen insbesondere in Richtung TwinCAT Analytics alle Türen offen“, betont Pascal Dresselhaus: „Wir haben sehr gute Engineering-Produkte für die Datenanalyse mit über 100 Algorithmen. Ob Taktzeiten der Prüfstände oder Frequenzanalysen der Geräuschentwicklung, sobald die Daten im Scope-Format svdx vorliegen, können mit TwinCAT Analytics viele Nadeln im Daten-Heuhaufen gefunden werden“, zeigt der Produktmanager die weiteren Möglichkeiten für thyssenkrupp auf.

Globaler Roll-Out angelaufen

Was vor etwa zwei Jahren mit einem ersten Konzept begann, bewährt sich inzwischen in der Praxis: Neben dem Test-Prüfstand am Firmensitz in Eschen, sind die ersten Systeme bereits im Regelbetrieb im Produktionswerk in Ungarn im Einsatz. „Weitere Systeme sind gerade auf dem Weg nach China und Mexiko beziehungsweise dort bereits im Aufbau“, so der Automatisierungsexperte. Aufgrund der Ergebnisse sowohl hinsichtlich der Messgenauigkeit und Prüfgeschwindigkeit wie auch der wesentlich einfacheren Implementierung und Inbetriebnahme bildet das Konzept auf Basis der Highend- EtherCAT-Messtechnikklemmen die Grundlage für alle weiteren Akustikmessmodule. Künftig werden alle neuen Akustik-Prüfsysteme im Fertigungsbereich damit ausgerüstet, denn die Vorteile von PC-based Control sind laut Joachim Sutterlüty bestechend: „Wir können die externe Messtechnik-Hardware komplett ersetzen.“